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Lexikon > Familie



Familie (Kollektivbildung von lat. famulus „Diener“, familia „Gesamtheit der Dienerschaft“) 12345 bezeichnet soziologisch eine durch Partnerschaft, Heirat, Lebenspartnerschaft, Adoption oder Abstammung begründete Lebensgemeinschaft, meist aus Eltern oder Erziehungsberechtigten sowie Kindern bestehend, gelegentlich durch weitere, mitunter auch im selben Haushalt lebende Verwandte oder Lebensgefährten erweitert. Die Familie beruht im Wesentlichen auf Verwandtschaftsbeziehungen.
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Begriffsgeschichte



Antike (Römisches Reich)


Die lateinischen Begriffe famulus und famula heißen „Diener“ bzw. „Sklave“ und „Dienerin“ bzw. „Sklavin“. Der davon abgeleitete lateinische Begriff familia ist in der lateinischen Sprache „vielschichtig“. Für den heutigen Familienbegriff gab es im Lateinischen – genau wie im Griechischen – kein Wort: „In keiner ihrer Bedeutungen war familia also die Kernfamilie, bestehend aus Vater, Mutter, Kindern.“.6
Die Begriffe familia und die zugehörige soziale Zentralposition des pater familias waren Herrschaftsbezeichnungen, die Machtverhältnisse bzw. unterschiedliche Aspekte von Machtverhältnissen anzeigten.7 Der biologische Erzeuger (Vater) hieß genitor, nicht Pater.7 Bereits in den indogermanischen Sprachen stand Pater nicht für leibliche und materielle Aspekte einer Vaterschaft, sondern für „Schöpfungskraft“ und „übernatürliche Kräfte“ jenseits der reinen Fruchtbarkeit eines Mannes.
In der römischen Antike wurde erstmals die Verwandtschaft als zentrale beziehungsstiftende Institution relativiert, indem die familia sich um die Zentralposition des pater familias konstituierte und durch diesen quasi als soziale Einheit ins Leben gerufen wurde. Nicht die Vereinigung von männlichem Samen mit weiblicher Fruchtbarkeit, sondern die charismatisch überhöhte Stellung des Hausherrn, die Patria Potestas, verschaffte ihm das unbeschränkte Verfügungsrecht über die gesamte Hausgemeinschaft, d. h. Sachen und Personen wie Ehefrau, Kinder, Sklaven, Freigelassene und Vieh.97
Die höchst unterschiedlichen Kontexte in denen der lateinische Begriff familia verwendet wurde, bezeichnen jeweils bestimmte Aspekte des komplexen Herrschaftsbegriffs:
  • Sklavengesinde, d. h. die Sklaven und abhängigen Freigelassenen einer Hausgemeinschaft (häufigste alltägliche Begriffsverwendung)
  • Geschlecht der Vorfahren in männlicher Linie
  • Sämtliche Personen, die unter der Gewalt des pater familias standen (Ehefrau, Kinder, ggfs. Enkel, Sklaven, Freigelassene)
  • Sämtliche Sachen und Personen, die unter der Gewalt des pater familias standen, also auch Vieh, Geld, Güter, Lebensmittel, Metalle etc.612


Mittelalter


Im Mittelalter war familia kein Begriff der Alltagssprache, sondern bezeichnete den Rahmenhaushalt des Herrschers, der oftmals viele hunderte oder tausende von Personen umfasste. Dieser Rahmenhaushalt bestand aus einem vielfach verschachtelten System einander über- und untergeordneter Hausgemeinschaften. Schlüsselbegriff der sozialen Ordnung war nicht der Begriff familia, sondern der des Hauses. Die Ordnung des Hauses ging dabei überall auf die gleiche häusliche Wurzel zurück.13

Neuzeit


Erst ab Ende des 17. Jahrhunderts wurde der Begriff Familie aus dem Französischen kommend allmählich in die deutsche Alltagssprache übernommen. Anfangs war er noch gleichbedeutend mit dem älteren Begriff Haus. Erst später bezeichnete er die engere Einheit der sogenannten Kernfamilie7 oder die weitere soziale Einheit im Sinne der Verwandtschaft. Der neue Begriff bezeichnet das mit dem Aufstieg des Bürgertums sich durchsetzende Ideal der Bürgerlichen Familie, d. h. der Kernfamilie und ihrer Einbettung in Abstammungsbeziehungen.15

Einzelterminologie


Unabhängig davon, ob ein junges Ehepaar nach der Heirat zur Familie der Frau zieht (Matrilokalität) oder zu der des Mannes (Patrilokalität) oder ob es sich an einem dritten Wohnort niederlässt (Neolokalität), gibt es je nach Kultur unterschiedliche Definitionen des Begriffs und der Größe einer Familie. Oft lässt sich an der Vielfalt der Verwandtschaftsbezeichnungen auch die theoretische Größe einer Familie ablesen – so gibt es in der kroatischen Sprache unterschiedliche Bezeichnungen für den Onkel als Bruder des Vaters oder aber der Mutter.
Wenn Großeltern, Eltern und Kinder als Familie zusammenleben, spricht man von einem Mehrgenerationenhaushalt bzw. einer Mehrgenerationenfamilie oder auch Großfamilie. In den USA und anderen Ländern gibt es den Begriff der erweiterten Familie (extended family), zu der die weitere, teils angeheiratete Verwandtschaft gehört (Schwägerschaft).
Auch wird unterschieden, ob materielle, kulturelle und spirituelle Ressourcen in einer Familie vom Vater auf den Sohn übergehen (Patrilinearität) oder ob sie über die Mutter laufen (Matrilinearität). Zwar gilt dabei zunächst die Blutsverwandtschaft, doch gibt es in vielen Kulturen die Möglichkeit der Adoption.
Als Familienoberhaupt wird diejenige Person angesehen, die formal und oft auch tatsächlich die größte Entscheidungsmacht auf die Familienmitglieder und das Handeln der Familie hat (vergleiche Clanmutter, sowie das altrömische Konzept des „Familienvaters“ pater familias).16 In patrilinearen Gesellschaften (nach ihren Väterlinien) ist dies meist der älteste aktive Mann, von ihm wird oft paternalistische Fürsorge erwartet (siehe auch Hausväterliteratur, Seniorität).17

Funktionen der Familie


Die Familie bündelt biologisch und sozial viele Funktionen:
Ob die biologische Reproduktionsfunktion der Spezies „Mensch“ der Institution „Familie“ bedarf, ist teilweise umstritten.
Zur biologischen Basis einer Familie gehören die Zeugungsfähigkeit und Gebärfähigkeit sowie die Fähigkeit zu einem menschengemäßen Brutpflegeverhalten. Zeugungs- und Gebärfähigkeit entfallen als Bedingung, wenn ein Ehepaar ein Kind adoptiert, dennoch kann von einer „Familie“ gesprochen werden. Kennzeichnend ist das Zusammenleben von mindestens zwei Generationen. Die Reproduktionsfunktion dient der Sicherung der Generationsfolge durch Weitergabe des Lebens.
Es lassen sich drei elementare soziale Funktionen hervorheben:
  • Die „Sozialisations“funktion (auch: erzieherische Funktion) der Familie besteht in ihrer Fähigkeit zur sozialen Kontrolle, zur Erleichterung der Sozialisation und in der Formierung von Motivationen und Fähigkeiten von Heranwachsenden. Sie bildet ein erstes dichtes soziales Netzwerk bereits für den Säugling und bildet Kinder und Jugendliche auch primär aus. Die Familie ist sozialer Raum für Geborgenheit, Wachstum, Entwicklung und als solcher mit entscheidend für die Entwicklung von Kompetenzen und Handlungspotential der nachfolgenden Generation.18
  • Die wirtschaftliche Funktion ist für viele Familien eine wichtige Funktion. So erbringt sie Schutz und Fürsorge (auch materielle) für Säuglinge, aber auch für kranke und alte Familienangehörige, ernährt, kleidet und behaust sie.
  • Die politische Funktion ist zunächst eine verortende: Für in ihr geborene Kinder erbringt sie eine legitime Platzierung in der jeweiligen Gesellschaft. Sonst ist die politische Funktion in neuzeitlichen staatlich verfassten („statalen“) Gesellschaften fast erloschen, findet sich aber oft noch informell in der Oberschicht. In nichtstaatlichen Gesellschaften tritt sie jedoch als einziger politischer Rückhalt durch Verwandtschaft (Sippe, Clan) deutlich hervor.

Aus diesen können weitere Funktionen abgeleitet werden:
  • Die religiöse Funktion (auch: Wertevermittlung) lässt sich aus der Sozialisationsfunktion ableiten, etwa in der Gestaltung von Familienfesten. Das ist in modernen Kleinfamilien unauffällig (Beispiele: Vater spricht das Tischgebet; er schmückt den Weihnachtsbaum). Anders in vorstaatlichen Gesellschaften: Da wurde es in vielen Bräuchen verdeutlicht – Beispiele: Der Vater bestimmte, ob ein Neugeborenes lebensfähig sei oder ausgesetzt werde; die Aussaat mit der Hand darf nur der Bauer selber vornehmen.
  • Die rechtliche Funktion ist verfassungs- und privatrechtlich (dort im Familienrecht) auch heute noch lebendig. Nach dem deutschen Grundgesetz steht die Familie unter besonderem staatlichen Schutz. Im privatrechtlichen Bereich hat sie zahlreiche Gestaltungsrechte (so im Unterhalts-, Vormundschafts-, Adoptions- und Erbrecht).
  • Die „Freizeit- und Erholungsfunktion“ ist eine moderne Variante der Wirtschaftsfunktion. Sie umfasst Basisleistungen zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit der Familienmitglieder und die Bereitstellung von Erholungsmöglichkeiten bzw. Ausgleichsleistungen der Familie gegenüber bestehenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Organisationsformen.

Des Weiteren erfüllt die Familie eine psychisch-emotionale Funktion, indem sie Identität stiftet, auch im Erwachsenenalter zu sozialer Identität und Selbstbild beiträgt und eine Basis für dauerhaft angelegte soziale Beziehungen innerhalb der erweiterten Familie bildet. Durch Verwandtschaftsbeziehungen entstehen bereits in der Kindheit persönliche Bindungen von hoher emotionaler Bedeutung. Die engen Beziehungen werden später meist auf Lebens- und Ehepartner der Verwandten erweitert und bis ins hohe Alter aufrechterhalten. Sie werden durch Familienbesuche und Familienfeste zelebriert.
In modernen Gesellschaften werden politische, religiöse, wirtschaftliche und erzieherische Funktionen der Familie zum Teil auf andere gesellschaftliche Institutionen (z. B. Staaten, politische Gemeinden, Versicherungsanstalten, Schulwesen, Sport) übertragen und treten im Familienalltag dann zurück, was sich in Notzeiten durchaus rasch ändern kann.
Ur- und frühgeschichtlichen Gesellschaften wird gelegentlich eine familienlose Organisation hypothetisch zugeschrieben. Auch in manchen indigenen Stammesgesellschaften der Neuzeit werden Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens beobachtet, die kernfamilienlos erscheinen, jedoch nicht unbedingt familienlos sind. Die Soziologie vermutet mit umfangreichem Material zumindest eine „Universalität der Kernfamilie“ (Needham).

Familienformen


Im westlichen bzw. europäischen Kulturkreis wird heute unter „Familie“ meist die so genannte Kernfamilie verstanden, das heißt Eltern – auch Alleinerziehende – und deren Kinder. Die Kernfamilie erscheint in den meisten dieser Gesellschaften als überwiegend vorkommendes Modell. Andere Formen, wie Wohngemeinschaften oder das Zusammenleben zweier Elternteile mit je eigenen Kindern (ob verheiratet oder nicht), nehmen zumindest in Deutschland zu.19 Begrifflich darf die „Kernfamilie“ in diesem Sinn nicht mit der „Kleinfamilie“ verwechselt werden, die wenig Mitglieder umfasst; eine „Kernfamilie“ mit zwölf ehelichen Kindern ist keine „Kleinfamilie“.

Wandel der Familienstruktur – Die bürgerliche Kleinfamilie (etwa 1850–1950)


Mit dem Wachstum der Städte und der Entwicklung des Bürgertums und der Verbürgerlichung des Industrieproletariats in Europa seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entstand auch eine stark normative Vorstellung der Familie als bürgerliche Kleinfamilie. Diese Vorstellung entwickelte sich bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, um dann folgendes Bild zu bieten:
  • verheiratetes Elternpaar, mit Entscheidung für Ehepartner aus Liebe (Liebesheirat)
  • eigene (leibliche) Kinder, mit Entscheidung für Kinder aus Liebe und kaum noch aus wirtschaftlichen Überlegungen
  • Haushaltsgemeinschaft aus einem verheirateten Paar und dessen in der Regel leiblichen, unmündigen Kindern
  • lebenslange, monogame, heterosexuelle Ehe
  • Traditionelle Rollenverteilung innerhalb der Geschlechter: Der Vater war der Haupternährer, besaß höchste Autorität („Familienvorstand“); die Mutter hatte in ca. 70 % der Fälle einen Nebenerwerb und stand der Haushaltsorganisation vor (Schlüsselgewalt).
  • Wohn- und Arbeitsstätte waren räumlich getrennt

Heute kennt die Familiensoziologie mehrere charakteristische Formen. Die traditionelle Familie hat nach wie vor eine hohe Wertigkeit und entspricht dem Lebensplan der meisten jungen Menschen. Empirisch ist der Wandel der Familienstrukturen an einer Schrumpfung der Haushaltsgröße (zahlreiche kinderlose oder Ein-Kind-Familien), einem Rückgang der Eheschließungen (nicht notwendig aber der Paarbindungen), der Zunahme der Scheidungen, einer Zunahme des Singledaseins, einem Rückgang der durchschnittlichen Geburten pro Frau, einer Zunahme der Frauenerwerbsarbeit, verkürzter Dauer partnerschaftlicher und familiärer Bindung, und oft in entsprechend mehreren Intervallen (serielle Monogamie) feststellbar.
Für den (tatsächlichen oder vermeintlichen) Trend zum freiwillig und bewusst gewählten Lebensentwurf der Partnerlosigkeit wurde das Schlagwort (Trend zur) Singlegesellschaft geprägt. Die Realität eines solchen Trends wird jedoch in Frage gestellt.

Pluralisierung der Lebensformen (spätes 20. Jahrhundert)


Durch die demographische Entwicklung und den Wandel der Lebensformen seit den 1960er Jahren hat die moderne Kleinfamilie ihre Stellung eingebüßt und befindet sich in Konkurrenz mit zahlreichen anderen alternativen Lebensformen. Man spricht daher von einer Pluralisierung der Lebensformen. Indikatoren hierfür sind die sinkende Geburtenzahl, der Rückgang der Eheschließungen und das Ansteigen der Scheidungen.
Dieser Wandel der Haushalts- und Familienstrukturen zeigt sich vor allem in der Anzahl der Alleinerziehenden und der kinderlosen Ehepaare sowie der nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften. Durch die hohe Scheidungsrate entstehen auch immer mehr Stieffamilien (im deutschen Sprachraum auch „Patchwork-Familien“ genannt), in denen Kinder unterschiedlicher Herkunft leben. Als Ursache für diesen Prozess wird der seit den 1970er Jahren beschleunigte Wertewandel gesehen.
Die Bundesbürger nennen im Wesentlichen drei Gründe, die gegen eine Familiengründung sprechen:20
  • der Wunsch, lieber frei und unabhängig zu bleiben (62 %)
  • das Gefühl sich Kinder und den eigenen Lebensstandard mit Kindern nicht leisten zu können (61 %) sowie
  • die eigene berufliche Karriere dann vernachlässigen zu müssen (59 %).

Neben der „Normalfamilie“ haben sich verschiedene alternative Lebensformen herausgebildet:
  • Einpersonenhaushalt
  • Alleinerziehendenhaushalt
  • Nichteheliche Lebensgemeinschaft
  • Kinderlose Ehe
  • Getrenntes Zusammenleben
  • Wohngemeinschaft
  • Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft
  • Gleichgeschlechtliche Ehe
  • Regenbogenfamilie
  • Fernbeziehung oder Commuter-Ehe (beide Partner arbeiten unter der Woche getrennt wohnend und sehen sich oft nur am Wochenende)
  • Kinder mit mehreren (biologischen und sozialen) Müttern und Vätern (Adoptiv-Familien oder Stieffamilien; man spricht auch von sogenannten „binuklearen Familien“, wenn die geschiedenen – nicht sorgeberechtigten – Elternteile den Kontakt mit ihren Kindern aufrechterhalten)
  • Polyamore Familien, d. h. Familien mit mehr als einer Partnerschaft unter den (mindestens drei) Erwachsenen

Manchmal wohnen Kinder nicht im Haushalt der Eltern, sondern in Pflegefamilien, bei ihren Großeltern, in einem Kinderheim oder anderswo. Gründe dafür können Krankheit, Tod oder Drogensucht eines Elternteils sein.
Im Fall sehr junger Mütter sind Mehrgenerationenhaushalte häufig.
Im Alter bleiben die Familienformen zunächst bestehen. Durch den durchschnittlich früheren Todeseintritt bei Männern kommt es allerdings zu alterstypischen Veränderungen der Familienformen:
  • Ehe/Lebensgemeinschaft – Erwachsene Kinder leben separat
  • Einpersonenhaushalt einer Witwe
  • seltener: Einpersonenhaushalt Witwer
  • Zwei- oder Mehrgenerationenhaushalt mit Witwe/Witwer (in der Regel zieht dabei die verwitwete Person in den Haushalt eines der Kinder)
  • funktionelle „Großfamilie“ – eine der Altenheimformen
  • funktionelle „kleine Familie“ – eine Form der Hausgemeinschaft überwiegend Älterer (nicht verwandt)

Der voranschreitenden Individualisierungsprozess und den stattfindenden sozial-strukturellen Differenzierungsprozess in der Gesellschaft erleichtert es dem Einzelnen, für die eigene Lebensgestaltung aus einer großen Zahl an Auswahl- und Entscheidungsmöglichkeiten auszuwählen. Hinzu kommt der soziale Wertewandel, durch den traditionelle Pflicht- und Akzeptanzwerte immer mehr an Bedeutung verlieren, während Selbstentfaltungswerte und die Planung eines individuellen Lebensentwurfes immer höher eingestuft werden. Dies trifft besonders auf die Institution der Ehe zu. Denn diese hat für die Erfüllung bestimmter Bedürfnisse (z. B. Sexualität) und als materielle Versorgungsinstanz (für die Frau) an Bedeutung verloren. Auch in Ehen und allgemeiner in Kernfamilien mit zwei Erwachsenen findet eine Pluralisierung der familialen Erwerbsarrangements statt: das vor allem in Westdeutschland vorherrschende Leitbild Ernährermodell wird zunehmend durch das Zuverdienermodell oder auch das Doppelversorgermodell (etwa Doppelkarrierepaare) abgelöst. Aus dem traditionellen Dasein für andere (Familie, Elternschaft), wurde immer stärker die Gestaltung eines selbst bestimmten Leben. Verantwortlich für diesen Wandel der Familienstrukturen sind unter anderem:
  • Angleichung der Bildungschancen von Mann und Frau – viele Frauen entscheiden sich für den Beruf und gegen die Elternschaft und damit gegen die Gründung einer Familie, auch angesichts von Zweifeln an der Vereinbarkeit dieser Lebensbereiche.
  • Insgesamt entscheiden sich mehr Männer als Frauen gegen die Gründung einer Familie. Als Gründe wird Vorrang von privaten Interessen und Freiheiten angegeben sowie die Angst der Aufgabe als Haupternährer der Familie nicht gewachsen zu sein.
  • zunehmendes Lebensalter
  • Technisierung der Haushalte
  • Die Reform des Familienrechts (insbesondere des Scheidungsrechts 1976) brachte neben der Vereinfachung der Scheidung eine Verlagerung der Unterhaltsverpflichtung von der Fürsorge des Staates auf den besser verdienenden ehemaligen Ehepartner.
  • einfachere Geburtenkontrolle – auch durch bessere Verhütungsmethoden
  • Bedeutungslosigkeit der Anzahl der Kinder für die individuelle Altersvorsorge
  • Der Bewusstseinswandel und die Kritik an der „Normalfamilie“ durch die 68er-Generation und den Feminismus (veränderte Rollenbilder)
  • Freiwilliger Verzicht zugunsten der ins Zentrum gewählten emotionalen Partnerschaft
  • Wandel der Erwerbsarbeit und damit verbunden größere finanzielle Unsicherheit
  • Einbettung der Familien in verwandtschaftliche und gesellschaftliche Generationenbeziehungen


Familienbezogene Wissenschaften


Wegen ihrer Funktionenvielfalt befassen sich zahlreiche Wissenschaften mit der Familie. Als Familienwissenschaften zu nennen wären (alphabetisch):
  • die Ethnologie (besonders ihre Studien zur Verwandtschaft)
  • die Geschichtswissenschaft (besonders im Rahmen ihrer Hilfswissenschaften Genealogie und Heraldik)
  • die Geographie (besonders im Prozess des Demographischen Wandels und in der Auswirkung auf die Stadtgeografie)
  • die Medizin (siehe etwa Familienmedizin, Hausgeburt)
  • die Ökotrophologie (Haushaltswissenschaft)
  • die Pädagogik (siehe etwa Hausaufgabe)
  • die Psychologie (etwa die Entwicklungspsychologie, Familientherapie)
  • die Rechtswissenschaft (besonders im Familien- und Erbrecht)
  • die Soziologie (besonders die hier bereits herangezogene Familiensoziologie)
  • die Theologie (siehe die theologische Ethik)
  • die Volkskunde (besonders die Subdisziplin volkskundliche Familienforschung)
  • die Volkswirtschaftslehre (besonders innerhalb der Sozialpolitik die Familienpolitik)

Erinnert sei auch an familienbezogene Berufsspezifikationen, wie etwa in der Sozialarbeit, Altenpflege u. dergl.

Literatur



Einführend


  • Andreas Gestrich, Jens-Uwe Krause, Michael Mitterauer: Geschichte der Familie. Kröner, Stuttgart 2003, ISBN 978-3-520-37601-5.
  • Jack Goody: Geschichte der Familie. Beck, München 2002, ISBN 3-406-48439-5.
  • Robert Hettlage: Familienreport. Eine Lebensform im Umbruch. Beck, München 1998, ISBN 3-406-43983-7.
  • Paul B. Hill, Johannes Kopp: Familiensoziologie. Grundlagen und theoretische Perspektiven. 5., überarbeitete Auflage. VS, Wiesbaden 2013, ISBN 3-531-53734-2.
  • René König: Materialien zur Soziologie der Familie. 2., überarbeitete Auflage. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1974, ISBN 3-462-00987-7.
  • Kurt Lüscher, Ludwig Liegle: Generationenbeziehungen in Familie und Gesellschaft. Universitätsverlag, Konstanz 2003, ISBN 978-3-8252-2425-7.
  • Rita Marx: Familien und Familienleben. Grundlagenwissen für Soziale Arbeit. Beltz Juventa, Weinheim 2011, ISBN 978-3-7799-2213-1.
  • Rosemarie Nave-Herz: Ehe- und Familiensoziologie. Eine Einführung in Geschichte, theoretische Ansätze und empirische Befunde. Juventa, Weinheim/München 2004, ISBN 3-7799-1712-2.
  • Rüdiger Peuckert: Familienformen im sozialen Wandel. 5., überarbeitete Auflage. VS, Wiesbaden 2004, ISBN 3-531-53653-2.
  • Hans Reis: Lexikon Familie. Schoeningh, Paderborn u. a. 2007, ISBN 3-506-76322-9 (herausgegeben vom Päpstlichen Rat für die Familie).
  • Marina Rupp (Hrsg.): Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. Bundesanzeiger Verlag, Köln 2010, ISBN 978-3-89817-807-5 (Forschungsbericht des Staatsinstituts für Familienforschung an der Universität Bamberg, herausgegeben vom Bundesjustizministerium).
  • Stephanie B. Klein (Hrsg.): Familienvorstellungen im Wandel, TVZ, Zürich 2018, ISBN 978-3-290-20166-1


Darstellungen und Spezialuntersuchungen


  • André Burguière, Christiane Klapisch-Zuber, Martine Segalen, Françoise Zonabend (Hrsg.): Geschichte der Familie. 4 Bände. Campus, Frankfurt u. a. 1996–1998, ISBN 3-593-35557-4 (Original: Histoire de la famille. Paris 1986).
  • Birgit Kohlhase: Familie macht Sinn. Urachhaus, Stuttgart 2004, ISBN 3-8251-7478-6.
  • Christian von Zimmermann, Nina von Zimmermann (Hrsg.): Familiengeschichten. Biographie und familiärer Kontext seit dem 18. Jahrhundert. Campus, Frankfurt/New York 2008, ISBN 978-3-593-38773-4.


Kritische Aspekte


  • Gunnar Heinsohn, Rolf Knieper: Theorie des Familienrechts. Geschlechtsrollenaufhebung, Kindesvernachlässigung, Geburtenrückgang. Suhrkamp, Frankfurt 1974, ISBN 3-518-00747-5.
  • Gunnar Heinsohn, Rolf Knieper, Otto Steiger: Menschenproduktion. allgemeine Bevölkerungstheorie der Neuzeit. Suhrkamp, Frankfurt 1979, ISBN 3-518-10914-6.
  • Max Horkheimer, Erich Fromm, Herbert Marcuse u. a.: Studien über Autorität und Familie. Forschungsberichte aus dem Institut für Sozialforschung. Neuauflage der Erstausgabe von 1936. Klampen, Springe 1987, ISBN 3-934920-49-7.


Fotos


  • Uwe Ommer: Transit. In 1424 Tagen um die Welt. Taschen, Köln 2006, ISBN 3-8228-4653-8 („Familienalbum der Erde“: 1000 Familien weltweit).


Siehe auch


  • Familienbericht der Bundesregierung
  • Familismus
  • Family Mainstreaming
  • Biopolitik


Weblinks


  • [http://www.kindergesundheit-info.de/index.php?id=8994 Der Eltern-Ordner „Gesund groß werden“], kindergesundheit-info.de: unabhängiges Informationsangebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
  • [http://www.familienhandbuch.de/ Online-Familienhandbuch: Artikelsammlung] Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP)
  • Grafiken: [http://www.bpb.de/wissen/32UOZK Familie und Kinder], aus: [http://www.bpb.de/wissen/37OUAU Zahlen und Fakten: Die soziale Situation in Deutschland], Online-Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb
  • [http://www.bmfsfj.de/ BMFSFJ] Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
  • [http://www.bmfsfj.de/doku/familienbericht/haupt.html Der 7. Familienbericht] Der aktuelle 7. Familienbericht (2005) des BMFSFJ
  • [http://www.familie-in-nrw.de/index.php?id=wandel Wandel der Familie] www.familie-in-nrw.de
  • [http://www.familyplatform.eu/ EU-Plattform für Familienforschung und Familienpolitik] des Staatsinstitut für Familienforschung, Leitung: Marina Rupp, Bamberg (engl.)


Einzelnachweise


1 Duden (2014): Das Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache. 5. neu bearbeitete Auflage. Berlin, S. 271.
2 http://www.duden.de/rechtschreibung/Familie Duden: Familie
3 http://www.etymonline.com/index.php?term=family Online Etymology Dictionary: Family
4 Family, in: An Etymological Dictionary of Modern English. Hrsg.: Ernest Weekly. New York 1967, S. 547
5 Family, in: Oxford Dictionary of English. Hrsg.: Angus Stevenson. Oxford 2010.
6 Andreas Gestrich: Antike, In: A. Gestrich, J.-U. Krause, M. Mitterauer: Geschichte der Familie, Stuttgart 2003, S. 95ff.
7 Andreas Gestrich: Neuzeit, In: A. Gestrich, J.-U. Krause, M. Mitterauer: Geschichte der Familie, Stuttgart 2003, S. 367.
8 Andreas Gestrich: Neuzeit, In: A. Gestrich, J.-U. Krause, M. Mitterauer: Geschichte der Familie, Stuttgart 2003, S. 367.
9 Bernhard Linke: Von der Verwandtschaft zum Staat: die Entstehung politischer Organisationsformen in der frührömischen Geschichte. Stuttgart 1995, 82f.
10 Andreas Gestrich: Neuzeit, In: A. Gestrich, J.-U. Krause, M. Mitterauer: Geschichte der Familie, Stuttgart 2003, S. 367.
11 Andreas Gestrich: Antike, In: A. Gestrich, J.-U. Krause, M. Mitterauer: Geschichte der Familie, Stuttgart 2003, S. 95ff.
12 Marcel Mauss: Soziologie und Anthropologie. Bd. 2: Gabentausch - Todesvorstellung - Körpertechniken. Wiesbaden 2010. S. 98.
13 Michael Mitterauer: Mittelalter, In: A. Gestrich, J.-U. Krause, M. Mitterauer: Geschichte der Familie, Stuttgart 2003, S. 270ff.
14 Andreas Gestrich: Neuzeit, In: A. Gestrich, J.-U. Krause, M. Mitterauer: Geschichte der Familie, Stuttgart 2003, S. 367.
15 Rosemarie Nave-Herz: Eine sozialhistorische Betrachtung der Entstehung und Verbreitung des Bürgerlichen Familienideals in Deutschland, in: Dorothea Christa Krüger ; Holger Herma ; Anja Schierbaum (Hrsg.): Familie(n) heute. Entwicklungen, Kontroversen, Prognosen. Weinheim 2013, S. 18–35.
16 Sabine Verk, Erika Karasek: Geschmacksache – Kochbücher aus dem Museum für Volkskunde (= Schriften des Museums für Volkskunde. Band 20). Staatliche Museen, Berlin 1995, ISBN 3-88609-382-4, S. 8f. (Ausstellungskatalog).
17 Dajana Geffken: Kulturelle Heterogenität als Aspekt der Zusammenarbeit mit Eltern – Die Rolle des Vaters im Wandel der Zeit. Einblicke in die Elternzeit, familiäre und berufliche Konflikte. Grin, 2011, S. 2.
18 Jürgen Liminski. Die Bildung von Humanvermögen als Kern jedes Reformansatzes. Mainz. [Ohne Verlag]. [Ohne Jahr]. S.7-9.
19
20 Stiftung für Zukunftsfragen – eine Initiative von British American Tobacco: http://www.stiftungfuerzukunftsfragen.de/de/newsletter-forschung-aktuell/255.html Zeitnot und Angst: Warum viele Deutsche keine Familie gründen wollen, Forschung Aktuell, 255, 35. Jg., 15. Mai 2014.


Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Familie

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